Wir sind dann mal weg - zum Pilgern auf dem Olavsweg von Oslo nach Trondheim - 32 Etappen, 650 Kilometer und rund 20.000 Höhenmeter liegen vor uns und wir berichten in der Rubrik »Green Travelling« von unserem Abenteuer. Wir wollen los, raus in die Natur, unsere Komfortzone verlassen, wenig brauchen und nicht planen. Unser ökologischer Fußabdruck soll dabei so klein wie möglich sein. Ob und wie wir dieses Ziel erreichen, könnt ihr hier verfolgen.
Aller Anfang ist schwer
Eine überluxeriöse Überfahrt von Kiel nach Oslo, ein hektischer Tag in Norwegens Hauptstadt, eine lange erste Tour aus der Stadt heraus und eine zweite Etappe ohne landschaftliche Highlights. Von unseren ersten Reisetagen sind wir zunächst ein bisschen enttäuscht, vielleicht auch mitgenommen, denn es prallen Kontraste aufeinander. Immerhin hat uns die Sonne weite Stücke des Weges begleitet. Den Muskeln geht es soweit gut, nur meine Füße prickeln und schmerzen, sie ziehen den Fokus weite Teile des Weges. Dennoch sind wir raus, wir schlafen in der Natur, wir kochen unser mitgebrachtes Essen auf dem Camping-Kocher und genießen die Zeit zu Zweit.
Kurz vor dem Boarding werfen wir einen Blick in den Kieler Hafen
Fantasy- Kitsch und Mall-Charakter auf der Color Line
Hektisches Treiben in Oslo
Ich frage mich, ob wir ständig zu hohe Erwartungen haben. In Bezug auf unsere Mitmenschen, auf uns und auch in Bezug auf unsere Reise. Wir haben uns so nach dieser Auszeit gesehnt und wollen natürlich sofort entspannt und glücklich sein, den schönsten Weg ausgesucht haben, die besten Übernachtungsmöglichkeiten für unser Zelt finden, nur nette und offene Leute treffen und der Unverpackt-Laden soll auch nur ein paar Meter entfernt liegen und natürlich auch preislich nicht zu teuer sein. So viel zu unseren Erwartungen, die Realität sieht da etwas anders aus, gerade in Bezug auf Zero-Waste muss man in Oslo wirklich auf die Suche gehen.
Grünes Oslo?!
Hier - so verspricht es die offizielle Website visitoslo.de - gibt es eine Szene für Nachhaltigkeit. "Das grüne Oslo", so heißt es und wir machen uns auf, es zu suchen. In bestimmer Hinsicht werden wir fündig. Es gibt viele Parks und Grünflächen mitten in der Stadt und auch in Sachen Verkehr ist Oslo vorbildlich. Zum Beispiel gibt es überall Radstationen, du schließt dir per App ein Rad frei, fährst damit und wenn du es wieder abgeben möchtest, suchst du dir eine andere Station und schließt es wieder an. Mit über 200 Radstationen und der einfach zu bedienenden App ist das in Oslo nicht nur für Anwohner sondern gerade für Touristen ein attraktives CO2-neutrales und zugleich noch kostensparendes Verkehrsmittel (5 Euro für eine Stunde reine Fahrzeit)
Auch die E-Roller haben Oslo erobert, sie werden ebenfalls über eine App freigeschaltet. Das Unternehmen Voi gibt es ja seit kurzer Zeit auch in Lübeck, doch in Oslo hat das eine ganz andere Dimensionen angenommen. Wenn die unzähligen Roller verschiedener Anbieter in Kombination mit der Vielzahl von E-Autos lautlos an uns in Richtung der ultramodernen Bürogebäude nahe des Oslofjordes vorbeisausen wird die Zukunft zur Gegenwart.
Die oben bereits erwähnte Website empfiehlt verschiedene Restaurants u.a. das TacoRepublica, dort wird alles selbstgemacht und auf Qualität gesetzt, keine Frage, da wollen wir hin, denn ansonsten wimmelt es überall von Plastikverpackungen...
So schnappen wir uns zwei OBOS und radeln in Richtung Mexiko!
Ein schönes Konzept-Restaurant erwartet uns. Mit der herzlichen Kellnerin Miśa, die seit vielen Jahren in Oslo lebt, kommen wir ins Gespräch. Tatsächlich wird in diesem Restaurant noch selbst gekocht, die Tortillias werden jeden Tag frisch gebacken und Fleisch kommt nur Bioqualität auf den Teller.
Übriggebliebenes Essen, so berichtet Miśa, wird im TacoRepublica nicht weggeschmissen, sondern gesammelt und an die Tafel gegeben. Ansonsten ist über die Norweger in Sachen Zero-Waste nicht viel zu erzählen."Den meisten geht einfach viel zu gut, sie kümmern sich nicht um den Verpackungsmüll!" erzählt uns Miśa. Wir fragen, ob es in Oslo einen Unverpackt-Laden gibt und blicken in ratlose Gesichter.
Am nächsten Morgen verlassen wir Oslo zu Fuß in Richtung Westen, wir wollen raus aus der trubeligen Stadt. Wir sind eben auch keine Großstadtmenschen, "Ich vermisse Lübeck" hatte Dany bereits gestern, halb im Spaß, halb im Ernst gesagt und dann fällt mein Blick kurz vor dem Vigeland-Skulpturen-Park über die Straße in ein Geschäft...
Ein Stückchen Heimat
Unsere Begeisterung für den zufällig entdeckten Unverpackt-Laden ist groß und unser Enthusiasmus überwältigt sogar die Managerin Mona dazu, sich mit uns für ein Foto vor den Refill-Behältern aufzustellen. Helios Colosseum ist zwar kein reiner Unverpackt-Laden, bietet aber neben Bio-Lebensmitteln und -Kosmetik auch ein Refillsystem und verschiedene andere Produkte an, die bei uns im Unverpackt-Laden erhältlich sind. Das Refill-System, berichtet Mona, gibt es in dem Laden schon von Anfang an und das sind jetzt schon weit über 25 Jahre. Wir sind beruhigt und können nun unsere Wanderung fortsetzen!
Es ist mühsam bei der Hitze und der Hektik den Weg aus Oslo zu finden, man sucht nach den Markierungen und findet sie nicht immer, da kommt uns die herzliche Geste einer Dame sehr entgegen, sie lädt uns auf ein kaltes Glas Wasser ein und wir sind dankbar. Ingrid ist selbst gepilgert, auf dem Olavsweg von Schweden nach Trondheim und dem Camino. Die fünffache Mutter ist beeindruckend. Für nächstes Jahr plant sie den Camino auf dem Rad von Dänemark bis Santiago de Compostela mit dem Rad zu fahren. Wieso? Ganz einfach, sagt sie, weil ich es kann!
Wir haben bei der kleinen Pause Kraft getankt, schleppen uns dann aber doch die letzten Kilometer bis zum ersten Gapahuk, einer einfachen kleinen Schutzhütte. Dort lassen wir uns häuslich nieder und genießen den schönen Abend
Unser Weiterweg am nächsten Tag begeistert uns noch immer nicht, vielleicht liegt es am Nieselregen und dem dunklen Wald oder an meinen drückenden Schuhen. Richtig gute Laune will nicht aufkommen, Dany - ungedulgig wie immer - ist schon dabei einen schönen Urlaubsort mit Therme auszusuchen, verkündet aber, dass er dem Olavsweg noch eine Chance geben will.
Eine zweite Chance
Die Stimmung wendet sich, das Wasser am nächsten Tag schöpfen wir aus einem Fluss, es schmeckt herrlich. Ich sehe zwei Elche - Mutter und Kalb - doch Dany glaubt mir nicht ganz (Er ist nur neidisch, denke ich). Die Landschaft wird schöner und die Natur beschenkt uns mit diversen Köstlichkeiten am Wegesrand!
Und hier noch ein paar Impressionen
Bild des Tages
Erkenntnisse in Gjesvold Gård
Wir verbringen unsere erste Nacht in einer Pilgerherberge und sind verzückt von dem alten Hof. Unsere erste Erkenntnis der Reise ist: Zelten ist schon ok, aber die heiße Dusche und das richtige Bett in einer Unterkunft wenigstens alle paar Tage sind der Himmel auf Erden, noch dazu wenn man sich in der wirklich fantastischen Herberge Gjesvold Gård befindet. Christian, der Eigentümer, hat aus dem alten norwegischen Hof, der bereits über 300 Jahre im Familienbesitz ist, eine wunderschöne Hochzeitslocation und aus den kleinen Häuschen und Ställen drumherum Gästehäuser für Pilger gemacht. Wir sind die einzigen Gäste und haben so Gelegenheit mit Christian zu sprechen. Er ist ein Selfmade Man, hat viel investiert und riskiert, nun kann er von dem Hof leben, gleichzeitig ist er so bescheiden und herzlich. Dany nutzt unseren Pausentag um für Christian einen Holzlöffel zu schnitzen.
Doch dies wird der erste und letzte Löffel für diese Reise sein, denn Dany und ich haben noch eine weitere Erkenntnis gewinnen können: Wir tragen zu viel Gewicht auf unseren Schultern und so sortieren wir nochmal aus, und überlegen, was wir nach Hause schicken können, so dass wir uns nicht nach Hause schicken müssen.
Erleichterte Grüße von Anni und Dany aus Norwegen und bis bald!