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The green Blog

  • Anni und Dany

Green travelling in Norway | Session 3/6

Aktualisiert: 18. Juni 2020


Wir sind dann mal weg - zum Pilgern auf dem Olavsweg von Oslo nach Trondheim - 32 Etappen, 650 Kilometer und rund 20.000 Höhenmeter liegen vor uns und wir berichten in der Rubrik »Green Travelling« von unserem Abenteuer. Wir wollen los, raus in die Natur, unsere Komfortzone verlassen, wenig brauchen und nicht planen. Unser ökologischer Fußabdruck soll dabei so klein wie möglich sein. Ob und wie wir dieses Ziel erreichen, könnt ihr hier verfolgen.

These boots are made for walking?!

Mit Mühe und Not schaffe ich es auf den Camping Platz. Meine Füße enttäuschen mich noch mehr als der Weg, der uns oft mehrere Kilometer entlang von asphaltierten Bundesstraßen führt. Während Dany locker vor mir her läuft, habe ich Fantasien vom Töten, ich stelle mir Szenarien vor, wie und wann ich meine Schuhe umbringen werde. Mal verbrenne ich sie, mal schlage ich sie mit den Trecking-Stöcken in kleine Fetzen, dann werfe ich sie auf die Straße und ein LKW fährt sie platt! Ich hasse diese Dinger, die meinen Füßen jeglichen Freiraum entziehen, sie einschnüren und zum Brennen bringen. Mit Ankunft streife ich die Stiefel ab und ziehe meine mitgebrachten und federleichten Barfußschuhe an, diese Schuhe schmeicheln meinem Fuß und auf einmal kann ich wieder gut gehen.

Nach einem ersten Bad im See bauen wir unser Zelt auf, waschen und trocknen ein paar Sachen am Baum. Die Idylle liegt vor uns, was niemand sieht, sind die Caravane hinter uns! Wir ignorieren das erfolgreich.

Daumen raus und los gehts

Beim Frühstück beraten Dany und ich uns darüber, wie es weitergehen soll. Die Vorstellung in die Wanderstiefel zu steigen, führt bei mir zu Würgereiz... es müssen neue Schuhe her! Wir wollen also den Bus nach Brandbu nehmen, um den Intersport aufzusuchen. Allerdings fährt der Bus nur einmal am Tag und bis dahin ist noch so viel Zeit. Wir versuchen es also mit dem Trampen und noch bevor ich auf meinen Notizblock den Buchstaben "B" gekritzelt haben, hält die gut gelaunte und herzliche Norwegerin Runhild an und lädt uns samt Rucksäcke in ihr Auto. Während Dany überzeugt ist, dass das Auto nur gehalten hat, weil er uns taktisch gut an der Straße positioniert hat, denke ich, dass es nur an meinem Lächeln gelegen haben muss, denn in meinem Gesicht kündigt sich der baldige Schuhwechsel bereits an.

Kleine und große Wunder

So aussichtslos sich meine Lage beim gestrigen Wandern auch anfühlte, desto hoffnungsvoller ist sie nun mit dem Einsteigen in Runhilds Auto. Sie verkündet uns, dass sie uns leider nicht sofort nach Brandbu fahren kann, weil sie ihre Tochter noch abholen muss. Sie bietet uns aber an, uns auf halben Weg in Granavollen rauszulassen und uns nach eineinhalb Stunden wieder abzuholen und nach Brandbu zu bringen. Sie möchte, dass wir die schönen Orte ihrer Heimat trotz Fußschmerzen sehen. Und Runhild behält recht, denn Granavollen ist ein schöner Ort, wir besuchen die hübschen zwei Schwesternkirchen, eine Galerie und genießen eine heiße Waffel in der Pilgerunterkunft, im Pilgerzentrum erhalten wir einen Stempel in unseren Pilgerpass, obwohl wir noch keinen Meter der Etappe erwandert haben.

Runhild hält ihr Versprechen, sie und ihre Tochter Lisa-Sol holen uns aus Granavollen und bringen uns direkt zum Sportgeschäft. Dany und ich sind sprachlos und gerührt von dieser Herzlichkeit.

Anni beim Schuhkauf

Mit den neuen Schuhen läuft es sich tatsächlich um Welten bessern, das ist auch wichtig, denn Dany hat sich vorgenommen noch am gleichen Tag von Brandbu 12 Kilometer weit den Berg hochzulaufen. Ich wackel noch etwas ängstlich aber weniger schmerzverzerrt hinter ihm her.

Allein auf Høgkorsplassen

Der lange Aufstieg hat sich gelohnt, wir sind allein in der winzigen Pilgerherbergshütte.

Fließend Wasser gibt es hier nicht, dafür schöpfen wir Wasser aus einer Quelle.

Hier oben sind wir das erste Mal weit weg von allem und wir sind zufrieden. Die im Wanderführer versprochenen "Basics" machen diese Übernachtung besonders: Heißes Wasser für einen Tee, ein Dach überm Kopf und die Stille sind alles, was wir für den Moment benötigen.

Dany präsentiert den ramponierten Wanderführer für die Kamera. Gerne würde ich an dieser Stelle erzählen, dass uns ein Sturm überraschte und wir den Wanderführer durch die herabstürzenden Fluten gerettet haben, doch das wäre gelogen. Die Wahrheit ist, wir hatten einen kleinen Unfall, bei dem eine halb offene Flasche die Hauptrolle spielte... (dreimal dürft ihr raten, wer die Flasche nicht richtig zu gemacht hat... ?!) In Hamar, so verkündigt Dany, wird er versuchen den Führer einzutauschen. "Ich sag einfach, ich komme mit dem Buch nicht zurecht!". Mit Nachdruck zeigt er mir die verklebten Seiten, die sich teilweise schon aufgelöst haben.

An Essen mangelt es uns nicht. Gebratene Pfifferlinge zum Hauptgericht und die seltenen Moltebeeren als Dessert. Das Sammeln verlangsamt unser Wandertempo erheblich, dennoch genießen wir die Suche nach Schätzen im Wald, hier wird die Idee vom Green Travelling real.

Der Mjøsa-See liegt vor uns und für uns beginnt ein neuer Abschnitt der Wanderung, mit dem historischen Raddampfer überqueren wir den See von Kapp bis Hamar, mit dem Seitenwechsel begleitet uns nun auch wieder die Sonne.

Im Pilgerzentrum treffen wir Henrik, der den Sommer über dort arbeitet und sich um die Pilger kümmert. Es ist eine wunderbare Begegnung und wir berichten über unser Green Travelling- Vorhaben.

Henriks grüner Tipp: Die App " Too good to go", Restaurants und Hotels bieten dort Essen zu günstigen Konditionen an, so dass es nicht weggeschmissen werden muss. Wir sind euphorisch und installieren die Anwendung sofort. Henrik berichtet derweil, dass es unter Studierenden in Oslo einen richtigen Run um die knappen Portionen gibt. Denn das Essen ist in Oslo ansonsten sehr teuer.

Wir ordern im Hotel Astoria in Hamar zwei erste Portionen und holen das Essen auf dem Weg zum Bahnhof ab. Das Abholen wird auf dem Handy quittiert und wir erhalten zwei riesige und noch dazu in umweltfreundliche Recycling-Behälter verpackte Portionen.

Super finden wir, dass wir Essen vor dem Wegschmeißen retten. Die Handhabung der App ist einfach und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Zu spät haben wir verschiedene Filterfunktionen gefunden, damit kann man nämlich auch nach vegetarischen Angeboten suchen. Je nach Anbieter unterscheidet sich das Angebot und man muss natürlich offen für Überraschungen sein. Denn nur was übrig geblieben ist, landet in der Essenstüte.

Die Reste vom Hotelfrühstück sind zugegebenermaßen nichts für jedermann. Hier befindet sich der Proteinwochenbedarf einer fünfköpfigen Familie in einer Portion. Dennoch haben wir in Zeiten einer knappen Reisekasse und angesichts der anosonsten teuren Lebensmittel ein echtes Schnäppchen geschlagen. Wir bezahlen umgerechnet nur 3 Euro.

Der Salat, den wir ein anderes Mal bekommen, wird zwar in Plastik serviert, die belegten Brötchen erhalten wir aber noch dazu. Der Salat kostet normalerweise 15 Euro ... und wir erhalten endlich etwas Frisches für 3,50 Euro.

Von der Kulinarik zur Kultur

Die Ruinen der alten Domkirche in Hamar sind beeindruckend vor allem in Verbindung mit dem schützenden Glasbau.

Die beiden jungen Frauen sind "singing guides". Annbjörg und Mari erzählen über die Geschichte des Ortes und singen norwegische Volkslieder. Die Akustik unter Glas ist beeindruckend, wer hätte das gedacht? Dany und ich summen mit.

Zero-Waste an jeder Ecke

Der letzte Weg für heute führt uns von Hamar nach Lillehammar, am Bahnhof treffen wir eine Hitch-hikerin aus Frankreich. Wir haben nur fünf Minuten Zeit mit ihr zu reden. Dany kommt wie so oft sofort auf den Punkt und erzählt von unseren Ambitionen des Green Travellings.

Sie hält mit, gerade arbeitet sie an ihrem Master of Engineering zum Thema Zero-Waste in Zusammenarbeit mit der Firma Vrac'n Roll.

Auch das Lillehammer Vandrerhjem, mitten im Bahnhof und dennoch entspannt, ist im Bereich der Nachhaltigkeit unterwegs und bietet uns den letzten großen Luxus bevor wir nun mehr in das grüne Norwegen entschwinden. Endlich! Zu viele Straßen lagen auf unserem Weg, der gleichzeitig aber voller menschlicher und kultureller Begegnungen steckte.

Bis ganz bald aus Irgendwo in Norwegen

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